Meisterliches in Tönen und Bildern

Konzertkritik von Fritz Jurmann in den Vorarlberger Nachrichten, 25. Februar 2024.

© Fritz Jurmann

Die Röthner Pianistin Hanna Bachmann steht im Zentrum eines großen Abends im Schlössle.

Röthis. Es ist nicht allein ihr gemeinsamer idyllischer Wohnort im Vorderland, der in den letzten Jahren diese bemerkenswerte Künstlerinnen-Freundschaft zwischen der Komponistin Gerda Poppa und der Pianistin Hanna Bachmann hat reifen lassen. Es ist auch ihr gegenseitiges Verständnis für das Machbare in der Musik und ebenso eine gemeinsame, oft ungestüme Umtriebigkeit, die diesem Mutter-Tochter-Gespann seine Präsenz im Musikleben erhält.

So hat Hanna Bachmann zuletzt mit ihrem vierten elektronischen Adventkalender eine alljährlich größer werdende Anhängerschaft erfreut. Und nur eine hartnäckige Grippe konnte sie davon abhalten, bereits drei Wochen später zum nächsten ihrer eigenen Reihe von Schlössle-Konzerten anzutreten, das deswegen nun am Samstag nachgeholt wurde. Vielleicht hat diese erzwungene Ruhepause der jungen Künstlerin auch gutgetan, sie in ihrem längst internationalen Radius zwischen Solistin, Klavierbegleiterin und Kammermusikerin wieder zu sich selber, zu ihren klassischen Wurzeln zurückfinden lassen.

So klingt auch ein so viel strapaziertes Stück wie Beethovens „Mondscheinsonate“ am Beginn wie ein bisschen Frieden in aufgewühlten Zeiten. Selbst der virtuose dritte Satz wird hier kein Kampf oder gar Krampf, sondern zum Triumph über das Handwerk im Geiste des Erfinders.

Dann tritt Komponistin Gerda Poppa auf den Plan, deren erstes Oratorium am 17. März in Rankweil uraufgeführt wird. Ihrem emsigen Schaffen hat im Frühjahr 2020 die Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Allerdings nicht wirklich, denn sie formte aus der Not eine Tugend und kreierte aus der Stimmung des ersten Lockdowns heraus für Hanna Bachmann ein Klavierstück, dessen Arbeitsmaterial sie nicht aus Gegenständlichem, sondern diesmal aus Emotionalem bezog. 

Das ergibt im bislang radikalsten Werk Poppas ein zehnminütiges Bild der Unsicherheit und Einsamkeit der Entstehungszeit, kompakt und schonungslos das Schicksalshafte artikulierend, in verlorenen Akkorden und erloschenen Melodien auch die Unsicherheit und Einsamkeit. Es ist ein Kompendium ihrer damaligen Gefühlswelt, das die Komponistin in ihrer Verzweiflung nur noch auf die virtuelle „Reset-Taste“ drücken lässt: Alles zurück auf Anfang. „Reset“ heißt auch dieses packend aktuelle Stück Klaviermusik, dem Hanna Bachmann hell wach und lauernd die beißenden Kontraste, ebenso das Verstörende und Hoffnungsvolle abverlangt und damit auch beim heimischen Publikum viel Zustimmung für diese österreichische Erstaufführung findet. Zum Abschluss ihres „Malerischen Klavierabends“ wählte Hanna Bachmann den Klavierzyklus „Das Jahr“, in dem die deutsche Komponistin Fanny Hensel 1841 in zwölf Charakterstücken die Erfahrungen einer Italienreise verarbeitet hatte. Das kam ihrem steten Einsatz für komponierende Frauen aller Zeiten entgegen. Zudem ist auch ihre Idee, diese Stücke mit aktuellem Bildmaterial zu visualisieren, glänzend aufgegangen. 

Denn es gelang ihr mit einiger Überredungskunst, dafür den bekannten, in St. Ulrich lebenden Grödner Maler Christian Stl Holzknecht zu interessieren. Er schuf nach diesen Klavierstücken in seiner eigenen neuen Technik auf Fichtenholzträgern einen meisterhaften Bilderzyklus von oft gegenständlichem starken Ausdruck, kräftig in der Farbgebung, originell in der Motivwahl. Und da ergibt es sich nun, dass diese zugespielten Bilder durch die Live-Musik wie lebendig werden. Ihre Farben mit den schillernd plastischen Klängen der Klaviermusik leuchten um die Wette und fast eine Stunde lang entwickelt sich ein dichter Spannungsbogen im Saal. Hanna Bachmann verleiht diesem Klavierzyklus hoch konzentriert das entscheidende Maß an Brillanz. Die zierliche 31-Jährige macht den wenig bekannten, in seiner Vollgriffigkeit, im Melodienreichtum und der Chromatik der deutschen Romantik enorm fordernden Klavierzyklus fein abschattiert und mit überlegener Technik zu einem Meisterstück pianistischer Kunst und damit zu einem weiteren Meilenstein in ihrer jungen Karriere. Das Röthner Publikum ist hingerissen.