Romantische Rückblenden

Pianistin Hanna Bachmann gestaltete die Sonntagssoiree der Rheinberger Gesellschaft mit einer überzeugenden Gesamtdramaturgie.

Konzertkritik von Hartwig Wolf, Liechtensteiner Vaterland, 16.11.2021

Auch aus dem benachbarten Ausland waren am Sonntag Gäste zum Konzert der Internationalen Josef Gabriel Rheinberger Gesellschaft (IRG) angereist. Dazu dürfte die Künstlerin des Abends beigetragen haben. Hanna Bachmann lebt zwar inzwischen in Wien, stammt aber aus Feldkirch. Bei ihrem Auftritt im Vaduzer Rathaussaal stand naturgemäß der Patron der IRG auf dem Programm. Für Jürg Hanselmann , den Präsidenten der Gesellschaft, ein „spezielles Klavierrezital“, wie er in seiner Begrüßung hervorhob. Denn die 28-jährige Pianistin habe eine sehr bewusst gewählte Werkfolge rund um die Stücke Josef Gabriel Rheinbergers zusammengestellt.

Die Kunst der Variation bildete die eine Klammer der Soirée, die Rückbesinnung auf die barocke Epoche eine andere. Beides äußerte sich in musikalischen Referenzen von Johannes Brahms und Josef Gabriel Rheinberger an Georg Friedrich Händel: Die beiden Freunde schufen – in ihrem zeittypisch romantisch verbrämten Historismus – ausgiebige Variationen-Zyklen auf Themen Händels. Und dann gelang es Hanna Bachmann auch noch, in ihrer Programmzusammenstellung die Verbindung von Brahms mit Rheinberger einzubeziehen.

Inhaltliche Verknüpfung

Nicht nur durch die ausgeklügelte Programmgestaltung war dieses sonntägliche Konzert für die Rheinberger-Gesellschaft ein Glücksgriff. Auch in ihrer pianistischen Umsetzung zeigte Hanna Bachmann entsprechendes Format. Am Beginn ihres beziehungsreichen Rezitals stand die Chaconne in G-Dur, HWV 435, von Georg Friedrich Händel. In seiner ersten Version hat Händel als 20-Jähriger das Thema nüchtern und nackt notiert. Bachmann spielte eine später gedruckte Fassung, die reich mit Mordenten und Trillern ausgeschmückt ist. Die straffe Umsetzung brachte mit ihrem kräftigen Anschlag eine gewisse Härte mit sich. Andererseits gerierten damit die folgenden 21 Variationen über den ostinaten Bass sehr verständlich, gerade die Läufe in der linken Hand und die Durchgänge in der Mittelstimmen. Bachmann orientierte ihre Interpretation an einem gleichmäßigen Puls ohne exaltierte Agogik und mit einer ausgeglichenen Dynamik.

Eine völlig andere Klanglichkeit entwickelte sie bei Josef Gabriel Rheinbergers Musik. Mit dunkler Wärme und samtiger Grundierung gestaltete sie seine „Drei Studien op. 6“ und die „Zwei Klaviervorträge op. 45.“, die beide Variationen-Zyklen enthalten. Bachmann bot sie in vielschichtig-abwechslungsreicher Gestaltung, arbeitete mit feinen Verzögerungen und geschmackvollen Akzenten. Hier konnte sie den anschmiegsamen Klang des Bösendorfers richtig auskosten und helle Glanzpunkte setzen.

Pianistischer Kraftakt

Sie freue sich, jetzt Rheinberger spielen zu dürfen, erklärte sie. Es seien ihre ersten Solodarbietungen mit dessen Musik. Aber bereits vor zwei Jahren hat sie mit Studenten des Vorarlberger Landeskonservatoriums hier die Kinderlieder des Vaduzer Komponisten präsentiert. Auch sonst war sie bereits einige Male in Liechtenstein zu hören, zuletzt Anfang des Jahres mit Moritz Huemer am Holocaust-Gedenktag. Gefördert wurde Bachmann etwa von der heimischen Stiftung Musik & Jugend. Unterricht erhielt sie auch von Florian Krumpöck, dem ehemaligen Chefdirigenten des Sinfonieorchesters Liechtenstein.

Divergierende Charaktere differenziert dargestellt

Mit den Händel-Variationen in seinem 45 hat Rheinberger eine doppelte Hommage geschaffen. Er huldigt dem Barockmeister und widmet das Werk Johannes Brahms. Denn auch der hat Variationen über ein Händel-Thema geschrieben. Eine einfache, gesangliche Aria ist für Brahms der Ausgangspunkt für 25 Variationen, die in einer orchestral anmutenden Fuge gipfeln – ein Kraftakt, der den Interpreten alles abverlangt. Hanna Bachmann gestaltete die divergierenden Charaktere mit differenzierter Geschmeidigkeit und klugem, gezielten Einsatz ihrer Kräfte. Für den begeisterten Applaus bedankte sie sich mit einer stilisierten Habanera des Mexikaners Manuel Ponce für die linke Hand.