Konzertkritik von Andreas Marte in den Vorarlberger Nachrichten, 11. Juni 2025.
Corinna Scheurle und Hanna Bachmann begeisterten mit einem romantischen Liederabend.
Es war ein Abend, wie ihn sich die Chopin-Gesellschaft kaum schöner hätte wünschen können – einer jener Aren Momente, in denen künstlerische Reife, gegenseitige Vertrautheit und tief empfundenes Musizieren auf jene stille Weise zusammenwirken, dass man als Hörer beinahe unmerklich in die seelischen Landschaften der Romantik hineingezogen wird. Die in Vorarlberg aufgewachsenen und heute auf internationalen Bühnen zu Hause befindlichen Mezzosopranistin Corinna Scheurle und die Pianistin Hanna Bachmann gestalteten am Montag im fast bis auf den letzten Platz gefüllten Saal des Feldkircher Pförtnerhauses ein Programm, das durch seinen dramaturgischen Bogen und vor allem durch die hohe Kunst des empfindsamen Lieds überzeugte.
Abgestimmtes Zusammenspiel
Schon in den ersten Takten wurde deutlich: Hier begegnen sich zwei Künstlerinnen, die sich nicht nur musikalisch verstehen, sondern einander im Ausdruck tragen, sich gegenseitig inspirieren und mit feiner Aufmerksamkeit das gemeinsame Atmen gestalten. In Schuberts „Der Musensohn“ (Johann Wolfgang von Goethe) war dies nicht nur ein heiterer Auftakt, sondern auch ein unaufdringlicher Hinweis auf das poetische Selbstverständnis des Abends: Musik als wandernde, suchende, fragende Bewegung durch innere Räume.
Liedkunst mit Tiefgang
Corinna Scheurle überzeugte mit einem warm grundierten, in allen Lagen kultivierten Mezzosopran, der nie auf bloße Wirkung zielte, sondern stets dem Wort und seinem feinen Gehalt diente. Ihre Stimme blühte in Hugo Wolfs „An eine Äolsharfe“ ebenso auf wie im schwebenden „Verborgenheit“ (beide Eduard Mörike), das sie mit zarter Innigkeit und berührender Transparenz zu gestalten wusste. Ihre Fähigkeit, zwischen poetischem Deklamieren und kantabler Gesangslinie zu wechseln, machte jedes Lied zu einem kleinen dramatischen Monolog: nuancenreich, leuchtend und niemals manieriert. Hanna Bachmann war ihr dabei nicht nur eine zuverlässige, sondern auch eine gestalterisch hoch präsente Partnerin.
Ihr Klavierspiel zeichnete sich durch subtile Agogik, atmende Phrasierung und eine enorme Farbenvielfalt aus – sei es in den glitzernden Wasserfiguren von „Auf dem Wasser zu singen“ (Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg) oder in der drohenden Unruhe des „Erlkönig“ (Goethe), den sie mit rhythmischer Präzision und innerer Dringlichkeit mittrug. In den intimeren Momenten, etwa in „Nacht und Träume“, ließ sie das Klavier beinahe schweben, als würde es den Atem des Traums selbst begleiten.
Die kluge Auswahl des Repertoires – von der liedhaften Frühromantik Schuberts bis zur dichten, expressiven Tonsprache Hugo Wolfs – offenbarte sowohl eine reizvolle Gegenüberstellung der beiden Komponisten als auch die ihnen gemeinsame psychologische Dimension: das Wandern, das Sehnen, das Verstummen in der Nacht, das tastende Suchen nach Heimat im Ich und im Anderen. All dies wurde in dieser Interpretation erfahrbar.
Dialog in Musik
Und doch blieb der Abend trotz seiner Ernsthaftigkeit immer leicht – dank der innigen Musizierfreude der beiden Interpretinnen, dank ihrer unverstellten Präsenz und dank der Natürlichkeit, mit der sie sich den goßen Themen der Romantik annäherten.
Es war, als würde man einem Gespräch lauschen. Ein Abend also, der in Erinnerung bleibt. Und einer, der in aller Stille daran erinnert, wie viel Kraft und Schönheit in der konzentrierten Form des Kunstliedes liegen, wenn es so gestaltet wird wie hier: mit Herz, Verstand und feinem Gespür für das gemeinsame, atmende Jetzt. Das Publikum entließ die beiden Musikerinnen erst nach zwei Zugaben und lang anhaltendem Applaus.