Kritik von Fritz Jurmann, 2.2.2019, Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft. Online-Ausgabe
„Kennen Sie eine lustige Musik? Ich nicht!“ Dieses berühmte Zitat von Franz Schubert stellte der Musiker, Chorleiter und Komponist Martin Lindenthal am Donnerstag im Bregenzer Theater Kosmos ins Zentrum seiner Präsentation des bei Gramola erschienenen zweiten Albums der Pianistin Hanna Bachmann (25). Sie setzt sich darin unter dem Titel „Plaisanteries“ (frz. „Scherze“) anhand von Klavierwerken der Klassik und der klassischen Moderne mit dem Humor in dieser Musiksparte auseinander. Ausgehend davon wurde dieses oftmals diskutierte Thema zum Ausgangspunkt interessanter Dialoge zwischen dem Präsentator und der Interpretin, die ihrerseits ausgewählte Ausschnitte aus ihrer CD live präsentierte.
Hanna Bachmann aus Röthis gehört derzeit zu den aufstrebendsten Klavierbegabungen im Land, die zuletzt den Radius ihrer Konzertverpflichtungen über Europa hinaus bis Mexiko ausweiten konnte, London und New York stehen im Sommer bevor. Basis dafür bildeten ihre Studien bei Ferenc Bognar am Landeskonservatorium Feldkirch, bei Florian Krumpöck in Wien und 2015 der Abschluss des Master- und Bachelorstudiums am Mozarteum Salzburg. Vervollständigt wurde dies durch Meisterkurse u. a. bei der legendären, in Wien lebenden russischen Pianistin Elisabeth Leonskaja.
Empfehlung vom Maestro himself
Kein Geringerer als der in Vorarlberg aufgewachsene russische Maestro Kirill Petrenko, der als Weltdirigent heuer im Mai zu zwei Aufführungen von Mahlers „Achter“ mit dem Symphonieorchester Vorarlberg in seine alte Heimat zurückkehrt, gab ihr fachlich verbale Starthilfe: „Hanna Bachmann spielt mit großer Musikalität, Kreativität und hohem technischen Können. Ihr feiner Klang und ihre Interpretation zeugen von einer gereiften Persönlichkeit am Klavier.“ Der Richard-Wagner-Verband Vorarlberg schloss sich mit dem Bayreuth-Stipendium 2017 an, die Kulturabteilung des Landes Vorarlberg 2018 mit der Fördergabe.
Doch Auszeichnungen allein genügen nicht, da muss Leistung am praktischen Objekt erbracht werden. Und das tat die ehrgeizige junge Künstlerin, indem sie bereits 2016 ihre erste, bei tyxart veröffentlichte CD herausbrachte, aufgenommen am Renommier-Ort St. Christoph im dortigen Saal „arlberg1800“ und mit einem tiefgründigen Programm von Abschied und Tod rund um den von den Nazis verfemten Komponisten Viktor Ullmann. Die aktuelle CD, vergangenen Sommer im historischen Kurhaus am Semmering in Niederösterreich produziert, stellt nun den Kontrapunkt dazu dar, eben mit dem Humor in der Musik. Zwei der drei eingespielten Werke, nämlich Beethoven und Prokofiev, hatte Bachmann bereits bei Konzerten öffentlich und bei ihrem Abschluss gespielt, das war also gut abgehangenes Repertoire. Das dritte von Mozart ließ sich leicht dazu finden.
Humorfaktor in Variationen
Interessant herausgearbeitet wurde nun bei der Präsentation im Theater Kosmos, auf welch diffizile Weise sich der Humorfaktor in diesen drei Werken voneinander unterscheidet. Martin Lindenthal wollte den urtümlichen Spaß, die neckische Heiterkeit schon von dessen Persönlichkeit her Wolfgang Amadeus Mozart zugeordnet wissen. Die acht Variationen über ein sehr schlichtes Thema aus dem Singspiel „Der dumme Gärtner“ eines gewissen Benedikt Schack, KV 613, erschließen ihre diesbezügliche Wirkung über die Mozart nun einmal eigene geniale Einfachheit der Verarbeitung, sind einfach köstlich naives, fast kindlich verspieltes Zuckerzeugs. Und kein Mensch will glauben, dass es sich dabei um sein letztes Klavierwerk aus dem Sterbejahr 1791 handeln soll.
Beethovens späte 33 Variationen über ein Walzerthema von Diabelli strahlen eine Art grimmigen Humor aus, auch eine Widerborstigkeit, die diesen kühnen Klavierkoloss von knapp einer Stunde Spielzeit einzigartig macht. Lindenthal zitierte dabei den großen Pianisten Alfred Brendel, der das angebliche Walzerthema vielmehr als eine „Mischung zwischen Scherzo und Ländler“ eingestuft hatte, womit man ihm rechtgeben muss. Die Art der Verarbeitung durch Beethoven lässt es dann freilich noch in ganz anderer Vielfalt brillieren, vom Marsch bis zum virtuosen Geht-Nicht-Mehr.
Prokofiev in Boxhandschuhen
In die Absurdität dagegen reicht jene Ausdrucksweise, die Prokofiev seinen fünf „Sarkasmen“ mit auf den Weg gegeben hat. Vieles erinnert an „höhnisches Lachen“ (Eva Teimel im Booklet), rasend, aufbegehrend und in radikaler Modernität. Und es fühlt sich laut Martin Lindenthal fast so unmöglich an, als ob sich die Pianistin mit riesigen Boxhandschuhen zum Klavierspielen bewaffnen würde, was sie denn auch kurzfristig tat. In Wirklichkeit hat sie auch hier, wie diesen ganzen kurzen Abend über, gezeigt, wie firm sie sich in verschiedenen Stilbereichen und Situationen bewegen und darin reagieren kann: mit kultiviert klarem Anschlag, gesunder Technik, einem kleinen Augenzwinkern da und dort und notfalls auch einer Portion an satter Emotion. Das zahlreiche Publikum aus Fans und Freunden zeigte sich begeistert.
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