Kritik von Thomas Gehrig vom 19. Februar 2017 auf Klassik.com
Hanna Bachmanns CD-Premiere zeigt für die Zukunft vielversprechende Perspektiven auf.
Bereits diverse Preise hat die junge österreichische Pianistin Hanna Bachmann bei Wettbewerben gewonnen; so prominente Fürsprecher wie Kirill Petrenko haben sie mit namhaften Referenzen ausgestattet. Beim Label Tyxart hat sie nun ihr erstes Album herausgebracht und greift dabei auf ein äußerst breit gefächertes Repertoire zurück.
Energiegeladen
Schon den mit ‚Die Ahnung‘ überschriebenen Kopfsatz von Leos Janáčeks ‚Sonate 1. X. 1905‘ spielt sie mit hochkonzentrierter emotionaler Intensität. Gekonnt bringt sie das statisch aufgeladene Widerspiel zwischen fragiler Melodik und eruptiven, die Grenzen der Tonalität immer wieder überschreitenden Ausbrüchen zum Tragen. Auch im zweiten Satz hält sie die musikalische, programmatisch konzipierte Binnenspannung konstant aufrecht. Geradezu brillant gelingt ihr Beethovens Es-Dur-Sonate ‚Les Adieux‘. Mit viel Verve und ohne jede technische Mühe mit den temporeichen Skalen und Akkordfolgen gestaltet sie den Allegro-Teil des ersten Satzes, das ‚Wiedersehen‘ im Schlusssatz sprüht geradezu vor Energie. In der Introduktion des Kopfsatzes sowie dem ‚Andante espressivo‘ formt sie ausdrucksstarke lyrische Kantilenen – unterm Strich ein Gesamtpaket, das sich vor den Interpretationen gestandener Beethoven-Spezialisten nicht zu verstecken braucht.
Neuentdeckte Raritäten
Eine Rarität hat sie mit Viktor Ullmanns (1898-1944) als eines seiner letzten Werke vor seiner Deportation ins Konzentrationslager Auschwitz und dortigen Ermordung im Ghetto Theresienstadt entstandenen Sonate Nr. 7 ausgegraben. Die thematisch abwechslungsreiche, mal raue, unruhig zerklüftete, mal in melancholische Stille eintauchende Musik bringt sie mit hörbarer Spielfreude an der Vielgestaltigkeit der Formen und Motive auf den Punkt. Im letzten der fünf Sätze bewegt sie sich auch in den polyphonen Sphären der ‚Variationen und Fuge über ein hebräisches Volkslied‘ auf sicherem, gut durchhörbarem Grund.
Auch Schumanns g-Moll-Sonate op. 22 meistert sie erstaunlich souverän. Unter den ohnehin nicht allzu zahlreichen Aufnahmen reicht ihre Deutung durchaus an das Niveau derjenigen Wilhelm Kempffs heran – im ersten Satz stellt sie diese in puncto Tempo und zwingende Agogik sogar in den Schatten. Als Bonus gibt es obendrauf sogar noch die ursprüngliche Fassung des Finales – eine absolut lohnende Entdeckung. In welcher Fassung letztendlich auch immer, Bachmann erreicht mit ihrer Annäherung das Ziel, die Frage aufzuwerfen, weshalb dieses Stück nicht öfter im Konzertsaal zu hören ist.